Comedy oder Blasphemie ?!
Religion und Meinungsfreiheit – passt das zusammen?
Dieter Nuhr wird als „Hassprediger gegen den Islam“ bezeichnet.
Dieter Nuhr hat sich vor einigen Jahren kabarettistisch mit dem Thema Islam auseinandergesetzt, wie man in einem Youtube-Video sehen kann. Jedoch gibt es in Deutschland den Paragraphen 166 StGB, der „Beschimpfung von Bekenntnissen, Religionsgesellschaften und Weltanschauungsvereinigungen“ unter Strafe stellt. Der muslimische Kampfsportstudio-Besitzer Erhat Toka sieht den Tatbestand der Beschimpfung durch Dieter Nuhrs Video erfüllt und hat ihn deshalb angezeigt.
Die Anzeige ging durch alle Medien, es wurde viel debattiert und sogar eine Facebook-Gruppe „Solidarität mit Dieter Nuhr“ gegründet. Die einen sind gegen Tokas Anzeige, die anderen mögen Nuhrs Gags nicht. Wenn man die Leserkommentare unter den Artikeln liest oder die Beiträge auf Facebook, kann einem schon mal schlecht werden: Sehr klischeehaft werden mal Islam, mal Islam-Kritiker attackiert. Wie wir wissen, schreiben im Internet viele gerne mit Hass und Häme und verzichten großzügig auf Sachlichkeit. Schade eigentlich, denn Debatten sind die Grundlage einer Demokratie.
Oft liest man Sätze wie: „Der Islam will unsere Meinungsfreiheit einschränken.“ Aha. Ist das so? Na, dann wäre es interessant zu wissen, wer der Islam denn eigentlich ist. Ist es der türkische Gemüsehändler an der Ecke? Wohl kaum. Ist es Erhat Toka, der die Klage gegen Nuhr eingereicht hat? Nein, auch er ist nicht der Islam. Herr Toka hat das gleiche Recht seine Meinung zu äußern, wie Dieter Nuhr. Und wenn Toka findet, dass Unrecht geschehen ist, dann ist der rechtsstaatliche, demokratische Weg, dies von einem Gericht prüfen zu lassen. Das hat er gemacht. Das ist in Ordnung. Ich hoffe dennoch, dass die Klage wegen Freiheit der Kunst abgewiesen wird. Es gehört ebenfalls zur Demokratie, dass Toka vor Nuhrs Auftrittsort mit 30 Gleichgesinnten demonstrieren darf. Ich finde das lustig. 30 Demonstranten! Jede Butterfahrt kriegt mehr Leute zusammen. Auf den Transparenten stand unter anderem: „Politik gehört nicht auf die Bühne“. Vielleicht erbarmt sich ja mal jemand und erklärt Toka das Konzept des Kabaretts.
Hier „Dunk dem Herrn“ von Caroline Kebekus. Ich liebe es!
Keine Zeitung, die nicht über den Fall Toka gegen Nuhr berichtet hätte. Als Karoline Kebekus 2013 ihr großartiges Video „Dunk dem Herrn“ herausgebracht hatte, hagelte es knapp 100 Anzeigen von Christen. Die ultrakonservative Piusbruderschaft hatte zum Protest aufgerufen. Es ist schon seltsam, dass ein einziger muslimischer Kläger eine Welle der Empörung auslöst, aber dass bei 100 Klagen christlicherseits kaum Aufruhr herrschte. Und dass, obwohl Caroline obendrein noch Drohungen von christlichen Extremisten erhalten hat. Ich habe mich gefreut, dass die Ermittlungen gegen Caroline eingestellt wurden. Die Begründung war, es sei keine Beschimpfung sondern kirchenkritische Satire. Genau. Gut so!
Comedy und Religion auf Englisch: Der Schotte Billy Conolly brüllt seine Meinung zu Religionen heraus. Sehr direkt mit 10 Schimpfworten pro Minute. So kann es auch gehen.
Wer oder was will unsere Meinungen und unsere Kunstfreiheit denn nun einschränken? Wie wir gesehen haben, nutzen Leute, die aus religiösen Gründen wenig Humor-begabt sind, den „Blasphemie“-Paragraphen 166 StGB um Kunst ihrem Weltbild anzupassen. Da frage ich mich: Was hat ein solch veralteter Paragraph in einem modernen Land zu suchen? Haben wir uns nicht alle empört, als die Frauen von Pussy-Riot wegen ihres Auftrittes in einer Kirche inhaftiert wurden? Nun, in Deutschland könnten sie dafür auch bestraft werden – mit bis zu 3 Jahren Haft. Na toll.
Wieder ganz anders: Ab Minute 2:45 spricht Kabarettist Hagen Rether über die Angst vor dem Islam. Eher leise und ironisch, sehr fein.
Vor knapp 90 Jahren schon hat der Satiriker Kurt Tucholsky den §166 StgB „diesen mittelalterlichen Diktaturparagraphen“ kritisiert: „Ich mag mich nicht gern mit der Kirche auseinandersetzen; es hat ja keinen Sinn, mit einer Anschauungsweise zu diskutieren, die sich strafrechtlich hat schützen lassen.“ Vielen Künstlern ist die Veröffentlichung ihrer Werke per § 166 StgB von kirchennahen Mitbürgern untersagt worden. Ich finde das skandalös! Das schränkt die Meinungsfreiheit ein. Und die Freiheit der Kunst. Weg mit diesem Paragraphen!
Es gibt allerdings noch etwas, dass die Meinung und die Kunst erheblich einschränkt – und da gebe ich Dieter Nuhr recht: Terrordrohungen. Nuhr: “Es ist das erste Mal seit 1945, dass man befürchten muss, dass man umgebracht wird, weil man was Falsches sagt. Weil das irgend so ein Geistlicher in Pakistan meint … Das war im Dritten Reich auch nicht anders. Wenn man nicht widersprochen hat, hatte man auch keinen Ärger. Außer man war Jude oder schwul, aber das sollte man heute, glaube ich, in Pakistan auch nicht sein.”
Sehr geil: Die Islamistenpolka von Andreas Rebers:
Das stimmt leider. Islamkritik in der Komik ist ein heißes Eisen, das kaum jemand anfasst. Es gibt eine unausgesprochene, diffuse und permanente Drohung gegen Künstler, die Kritik am Islam üben. Man erinnere sich an die Mohammed-Karikaturen von Kurt Westergaard aus Dänemark. Der arme Mann steht seitdem unter Polizeischutz, denn man hat mehrfach versucht ihn zu ermorden. Künstler, die den Islam oder den Koran gerne thematisieren würden, lassen es lieber sein, aus Angst von Extremisten dafür verfolgt zu werden. Diese Selbstzensur ist eine Folge von Terrordrohungen. Das ist furchtbar! Und ja – darüber müssen wir reden: Was kann man tun? Wie kann man die schützen, die sich kritisch äußern?
Cooler Typ: Eddie Griffin über Religion, amerikanisches Englisch mit Slang:
Aber: Alles, was entfernt mit dem Islam zu tun hat, als Wurzel allen Übels hinzustellen, hat das gleiche Niveau wie „Die Achse des Bösen“ dazumal von George W. Bush. Lasst uns über religiösen Fanatismus reden. Und menschenfeindliche Haltungen wie Frauenfeindlichkeit und Homophobie kritisieren. Im Islam, im Christentum und überall, wo wir sie finden. Gerne mit Spott und Humor.
Ich finde die Anzeige des Kampfsportstudiobesitzers gut. Nicht nur weil Dieter Nuhr noch mehr Tickets als sonst verkauft. Sondern weil plötzlich über Meinungsfreiheit diskutiert wird. Und da sage einer, dass Kabarett nichts bewirkt.
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